Polen – Entdeckungsreise auf den Spuren der europäischen Geschichte, Teil 7: Masuren
Ausflug ins Seenparadies
Montag, 23. Juli: Mikołajki – Legendäre Seenlandschaft
Wenn in den 1960er Jahren unter Verwandten von der verlorenen „Heimat Ostpreußen“ die Rede war, fiel über kurz oder lang auch der Name Masuren. Die oft schwärmerischen Bemerkungen über die heute im Nordosten Polens gelegene Seenlandschaft erweckten beim Zuhörer den Eindruck von einem Paradies auf Erden. Es wäre also fast einer sträflichen Unterlassung gleichgekommen, hätten wir die Gelegenheit nicht genutzt, uns einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Zumal die Entfernung von Olsztyn nicht einmal 100 Kilometer beträgt.
Das „Tor zu Masuren“
Über die west-östlich verlaufende Landesstraße 16 erreichten wir bei angenehm sonnig-warmen Temperaturen in rund zwei Stunden das 70 Kilometer entfernte Mikołajki, auf Deutsch Nikolaiken. Entlang dieser und anderer Strecken in Polen, an denen keine Tankstelle oder Gastronomie angesiedelt ist, sorgen an Haltepunkten und Rastplätzen aufgestellte mobile WC-Häuschen für Sauberkeit und Hygiene. Eine vergleichsweise einfache Maßnahme, die auch der Sauberkeit an vielen deutschen Waldrändern und Rastplätzen gut tun würde.
Der Ortsname Nikolaiken geht auf den Kirchenpatron Sankt Nikolaus zurück, der unter anderem als Schutzpatron der Seefahrer und Binnenschiffer bekannt ist, in dieser Region offenbar aber auch als Schutzpatron der Fischer fungierte. Die Fischerei war in Mikołajki früher ein bedeutender Erwerbszweig. Schließlich liegt der Ort an einem Seitenarm des größten polnischen Sees, Jezioro Śniardwy (Spirdingsee). Heute ist das „Tor zu Masuren“ eine Touristenhochburg mit vielfältigen Wassersportangeboten.
Ein abweisender und ein freundlicher Polizist
Wir parkten in einer Seitenstraße, flanierten eine Weile auf der Uferpromenade und schauten kurz auf dem Platz der Freiheit (Plac Wolności) vorbei. Seine Mitte schmückt ein Wasserspiel mit dem Wappentier der Stadt, dem an die Kette gelegten König der Fische, auch Stinthengst genannt. Unterwegs fragte ich zwei junge Polizisten auf Englisch nach der Tourist-Info. Während der eine sich Zeit nahm zu einer freundlichen Antwort, versuchte sein Kollege, ihn davon abzubringen und zum Weitergehen zu animieren. Es war das erste Mal, dass uns jemand mehr oder weniger offen seine Abneigung zeigte. Wir hatten ohnehin nicht vor, zu bleiben, und setzten unsere Fahrt nach Süden fort. Die freundliche Mitarbeiterin der Tourist-Info in Olsztyn hatte uns den Wildpark beim knapp 14 Kilometer entfernten Dorf Kadzidłowo empfohlen.
Auf Tuchfühlung mit Wildtieren
Dort schlossen wir uns einer geführten Parktour an, in deren Verlauf wir unter anderem Wildpferde, Damhirsche, einen asiatischen Zwerghirsch, Störche und einen Kranich zu Gesicht bekamen. Besonders beliebt bei Kindern und Tierliebhabern: der „Streichelzoo“, ein großes, offen zugängliches Gehege, auf dem man Ziegen, Eseln und Rehen nahe kommen, sie mit im Park verkauftem Futter füttern und sie streicheln konnte. Schade nur, dass wir die Parkführerin nicht verstanden, weil sie nur Polnisch sprach. Ein Umstand, der uns andererseits zu einer netten Begegnung verhalf. Denn wir kamen ins Gespräch mit Artur, einem jungen Mann aus dem westpolnischen Poznan (Posen), der in Großbritannien arbeitete und uns das eine oder andere Detail ins Englische übersetzte.
Wassernebel zur Erfrischung
Auf der Rückfahrt drehten wir noch eine Runde in Mrągowo, ehemals Sensburg. Am Ufer des Jezioro Czos (Schoss-See) näherten wir uns dem Stadtkern mit dem Rathaus und einer großen Statue von Papst Johannes Paul II. Und wieder eine landestypische Innovation: ein Vernebelungstor. Wer unter dem Metallgerüst hindurch geht, wird an heißen Tagen von einem feinen Wassernebel erfrischt. Eine ähnliche Installation hatten wir auch in Olsztyn vor einem Restaurant beobachtet.
Abschiedsfotos am Bücherstand
Zurück in Olsztyn steuerten wir noch einmal die Altstadt an, um uns am Bücherstand von Pawel zu verabschieden. Diesmal hatte er Zeit. Wir plauderten über unsere Erlebnisse, und im Verlauf des Gesprächs lud er uns zu einem Eintrag in sein privates Gästebuch ein. Zum Abschluss machte seine aus Deutschland stammende Helferin am Stand noch Abschiedsfotos mit unseren Handys.
Andrzejs Sorge
Obwohl schon der Mond am blauen Abendhimmel über dem Hotel stand, zog es mich noch einmal zu einer Spritztour hinaus zum Planetarium. Eine Einrichtung, die einer Stadt, in der Nikolaus Kopernikus Geschichte geschrieben hat, gut zu Gesicht steht. Am Planetarium, schräg gegenüber vom Solidarność-Platz, begegnete ich Andrzej, der seinen Hund ausführte. Er erzählte mir, dass er lange in Gelsenkirchen gearbeitet und sich nun in Olsztyn zur Ruhe gesetzt habe. Seine große Sorge galt der Demokratie, Meinungsfreiheit und anderen Errungenschaften der Solidarność-Bewegung in Polen, die er durch die regierende nationalkonservative PiS-Partei gefährdet sah.
Chris Heinemann
Alle Fotos: ch
Den achten Teil des Reiseberichts Polen unter dem Titel „Oświęcim/Ausschwitz 1 – Zeitreise zur vormaligen Hölle auf Erden“ lesen Sie nächste Woche an dieser Stelle.
Die vorangegangenen Teile und weitere Berichte von anderen Reisenden aus der Region lesen Sie auf unserer Themenseite: Reiseberichte
Autor:Chris Heinemann aus Region |
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