Aus dem Pfarrhaus wird ein Bürgerhaus
Wie ein Förderverein dem Pfarrhof neues Leben einhaucht

Bernd Sauer (links) und Wolfgang Jirasek wollen den Pfarrhof mit Pfarrhaus als Dorfmittelpunkt erhalten und wiederbeleben. | Foto: hk
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  • Bernd Sauer (links) und Wolfgang Jirasek wollen den Pfarrhof mit Pfarrhaus als Dorfmittelpunkt erhalten und wiederbeleben.
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Kraichtal-Oberacker (hk) Aus einem kleinen Pflänzchen ist eine große blühende Wiese geworden: So lässt sich die Vision des "Fördervereins zum Erhalt denkmalgeschützter Gebäude in Oberacker" wohl am treffendsten beschreiben. Denn ihm ist es zu verdanken, dass der historische Pfarrhof mit dem ehemaligen Pfarrhaus wieder mit Leben erfüllt wird.

Förderverein setzt sich für langfristigen Erhalt ein

Schon vor einigen Jahren hatten sich ehrenamtliche Helfer zu Arbeitseinsätzen zusammengefunden und das Hofgelände für Aktivitäten hergerichtet, immer in der Hoffnung, dass ihre Arbeit eines Tages Früchte tragen würde. Im Dezember letzten Jahres wurde schließlich der Förderverein ins Leben gerufen. "Was wir hier machen, bleibt hoffentlich für viele Generationen erhalten", sagt Bernd Sauer, der Vorsitzende des neuen Fördervereins, den er liebevoll auch "Bürgerverein" nennt und an dem sich alle beteiligen können. "Das passt besser zu unserem Anliegen", sagt er mit einem Lachen. Ihm zur Seite steht Wolfgang Jirasek, der als Vertreter des Kirchengemeinderates ebenfalls mit großer Überzeugung für das Projekt eintritt: "Aus dem Pfarrhaus wird ein Bürgerhaus für alle", freut er sich. Doch der Weg dorthin war steinig, wie beide im Gespräch mit der Brettener Woche/kraichgau.news berichten.

Herausforderungen und Potenziale

Mit knapp 700 Einwohnern ist die Bevölkerungszahl des Kraichtaler Stadtteils Oberacker überschaubar. Gering ist auch die Zahl der Gläubigen, die noch den Gottesdienst im Ort besuchen. Von den rund 300 Mitgliedern, die noch der Evangelischen Kirche angehören, finden sich sonntags nur etwa 30 zum Gottesdienst ein, weiß Jirasek. Darüber hinaus ist der Ort von fehlender Infrastruktur geprägt: Es gibt weder eine Einkaufsmöglichkeit noch eine Gaststätte. Die Vereine – Feuerwehr, (Posaunen-)Chor, Tischtennisspieler und Damengymnastik – ringen darum, ihre Aktivitäten aufrechtzuerhalten. Mehr als 130 Menschen im Ort stehen nicht mehr im Arbeitsleben. Ihre Suche nach einem Ort des Austauschs führe sie oft auf den Friedhof, sagt Jirasek und kann sich dabei ein Schmunzeln nicht verkneifen. Dabei gibt es im Ort mit dem ehemaligen Pfarrhaus durchaus die räumlichen Möglichkeiten für einen Treffpunkt für die Gemeinschaft.

Pfarrhofgelände soll umgenutzt werden

Das Problem: Im Rahmen der künftigen strategischen Ausrichtung der Evangelischen Landeskirche in Baden – Stichwort "ekiba 2032" – stand die "Ampel" für den Pfarrhof auf Rot. Die Kirchengemeinde würde also von der Landeskirche kein Geld mehr für den Erhalt der Gebäude erhalten. Eine rote Markierung bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass Gebäude aufgegeben oder abgerissen werden müssen, wenn sie auf anderem Wege tragfähig umgenutzt werden können. So kam erstmals die Idee auf, dass die Kirchengemeinde ihre Räume zur Verfügung stellen könnte, wenn sich Menschen finden, die sich unabhängig von der Kirche dafür einsetzen, dass das Pfarr-#%hofgelände der Kirchengemeinde, aber auch dem ganzen Ort erhalten bleibt, so Jirasek – und glücklicherweise fanden sich solche Menschen in Oberacker.

Langfristige Finanzplanung durch Wohnraumschaffung 

Die Idee ist, dass im ersten und zweiten Obergeschoss des Pfarrhauses künftig drei kleine Wohnungen entstehen und im Erdgeschoss der Gemeindesaal für Zusammenkünfte erhalten bleiben soll. Auch finanziell ist der Plan solide durchdacht: Die Mieteinnahmen aus den Wohnungen sollen den Umbau und die Sanierung des gesamten Pfarrhauses, insbesondere des Daches, innerhalb von 17 Jahren kostenneutral für die Kirchengemeinde-Kasse finanzieren. "Das heißt, ab dem 18. Jahr hätte man Mieteinnahmen für weitere Instandhaltungskosten", sagt Sauer. Der Bauplan und die Finanzierung sehen zudem keinen Zuschuss von der Landeskirche vor. Mit dem Evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe konnte außerdem vereinbart werden, dass das Pfarrhofgelände von der Kirchengemeinde mittels eines Erbpachtvertrages langfristig an den Förderverein übertragen wurde. Neben den Mieteinnahmen sollen auch Erlöse aus Veranstaltungen sowie Spenden und Zuschüsse das Projekt finanzieren.

Ehrenamtliches Engagement schafft lebendiges Gemeindezentrum

Vieles auf dem Pfarrhofgelände haben Ehrenamtliche inzwischen liebevoll saniert und wiederhergestellt. Die Mauer, die einst verfallen war, wurde wieder errichtet, der Garten erstrahlt in sattem Grün, und die Pfarrscheune kann wieder für die Gemeindearbeit genutzt werden. All dies wurde in unzähligen Arbeitseinsätzen des Fördervereins mit Unterstützung vieler freiwilliger Helfer in Eigenleistung vollbracht.

Die bisherigen Aktivitäten auf dem Pfarrhofgelände haben gezeigt, dass die Menschen in und um Oberacker das Bedürfnis haben, sich zu begegnen und auszutauschen. Von der "Mobilen Küche" mit warmem Mittagessen bis hin zu Gemeindefesten und Jubiläumsfeiern – oft sei das Interesse so groß, dass der Pfarrhof zu klein ist, sagt Sauer mit einem Lachen. Für ihn und Jirasek ist das Projekt Pfarrhof schon jetzt ein Erfolg, eine "Win-Win-Situation über die Ortsgrenzen hinaus und ein Zusammenwachsen und Schulterschluss Kraichtals auf Vereins- und persönlicher Ebene".

Inklusive infrastrukturelle Elemente als Beitrag zur Dorfgemeinschaft

Als nächstes soll die Pfarrscheune besser nutzbar gemacht werden. Dabei ist es Sauer ein besonderes Anliegen, dort in Zukunft eine behindertengerechte öffentliche Toilette mit Wickelmöglichkeit zu haben, um der Dorfgemeinschaft auch ein Stück Infrastruktur zurückzugeben, so Sauer. Er sagt: "Der Wohlstand, den wir heute haben, ist nicht selbstverständlich. Ich kann nicht immer sagen, was kann die Stadt für mich tun. Ich muss vielleicht auch mal sagen, was kann ich für die Gemeinschaft tun. Und das ist auch unser Antrieb."

Der Gemeinschaft etwas zurückgeben – das geschah am vergangenen Ostermontag, als der Förderverein in der Andreaskirche in Oberacker eine großzügige Spende von einer 88-jährigen Dame aus Weinheim erhielt, die anlässlich ihres Geburtstages für das Projekt gesammelt hatte. Rund 1.300 Euro hatte die Dame dem Verein übergeben – und als Kind des ehemaligen Pfarrers von Oberacker so manche schöne Anekdote über das Leben im Pfarrhaus und auf dem Pfarrhof erzählt.

Information: Die nächsten Termine der "Mobilen Küche" im Pfarrhof sind am 15. Mai und am 19. Juni, jeweils ab 11.30 Uhr sowie am 16. Juli und 27. August jeweils ab 17.30 Uhr außerdem am 18. September ab 11.30 Uhr.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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