Radsportverein Germania Sulzfeld begrüßt StVO-Novelle
„Es ist immer ein Geben und ein Nehmen“

In der Mitte der Kraichtalstraße in Flehingen gibt es eine langgezogene Kurve, in der es besonders für Radfahrer gefährlich werden kann, wenn sie von Autofahrern überholt werden. | Foto: hk
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  • In der Mitte der Kraichtalstraße in Flehingen gibt es eine langgezogene Kurve, in der es besonders für Radfahrer gefährlich werden kann, wenn sie von Autofahrern überholt werden.
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Region (hk) Von einem „ausreichenden Seitenabstand“ war im Gesetz bisher die Rede. Jetzt müssen Autofahrer beim Überholen eines Radfahrers innerorts mindestens 1,50 Meter und außerorts zwei Meter Abstand einhalten, seitdem Ende April 2020 die neue Straßenverkehrsordnung (StVO) in Kraft getreten ist. Die Regelung gilt unabhängig davon, „ob Radfahrende auf der Fahrbahn, auf ‚Schutzstreifen‘, Radfahrstreifen oder geschützten Radfahrstreifen (‚Protected Bikelanes‘) unterwegs sind“, informiert der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC). Gleichzeitig gilt ein Überholverbot auf Straßen, die nicht die notwendige Breite haben.

Ein Punkt für Parkverstöße mit Behinderung

Des Weiteren werden für das Parken auf Geh- und Radwegen Bußgelder zwischen 55 und 100 Euro erhoben. Erstmals gibt es für Parkverstöße mit Behinderung sogar einen Punkt in Flensburg. Bisher für maximal drei Minuten erlaubt, nun aber gänzlich verboten, ist das Halten auf „Schutzstreifen“. Dabei handelt es sich um Radfahrspuren mit gestrichelter Linie, die in Abständen mit einem Fahrradsymbol gekennzeichnet sind. Aber auch Radfahrer müssen sich künftig auf höhere Bußgelder gefasst machen. Zum Schutz von Fußgängern wird das Bußgeld für regelwidriges Radfahren auf Gehwegen von zehn bis 25 Euro erhöht.

„Regeln haben den großen Vorteil, dass sie Missverständnisse ausräumen“

Konrad Gehringer vom Radsportverein Germania Sulzfeld bewertet die Novelle der StVO positiv: „Regeln haben den großen Vorteil, dass sie Missverständnisse ausräumen.“ Dass Autofahrer die Änderungen nicht von heute auf morgen verinnerlicht haben werden, sieht er eher gelassen: „Man muss ihnen Zeit geben, dass sie sich daran gewöhnen. Ich bin schon zufrieden, wenn mir ein Autofahrer nicht mit weniger als einem Meter Abstand zu Leibe rückt“, sagt er. Der passionierte Radfahrer und Vorsitzende des RSV Sulzfeld legt im Jahr bis zu 8.000 Kilometer im Sattel zurück. „Außer im Winter erledige ich alles mit dem Rad“, sagt er. Dabei gehe er „leider regelmäßig“ auf Tuchfühlung mit Autos und Lkw: „Ich finde mich wöchentlich in Situationen wieder, die nicht hätten sein müssen“, klagt er.

Einmal habe sich ein Autofahrer daran gestört, dass Gehringer mit seinem Rennrad auf der Fahrbahn gefahren sei, anstatt die parallel verlaufende Schotterstraße zu benutzen. Daraufhin habe der Autofahrer vor ihm eine Vollbremsung hingelegt. „Glücklicherweise bin ich nur glimpflich in einen Graben gefallen. Danach hat er mich beschimpft und sich aus dem Staub gemacht“, erinnert sich Gehringer. Rennradfahrer würden zwar eher selten die Fahrbahn benutzen, doch fehlende oder für Rennräder ungeeignete Alternativen, würden sie dazu zwingen. „Natürlich fährt ein Rennradfahrer viel lieber auf Radwegen, wenn sie halbwegs akzeptabel sind“, sagt er.

Nicht gegenseitig verteufeln

Gehringer, der in Flehingen wohnt, kennt die für Radfahrer „unangenehmen“ Stellen in der Umgebung. Gefährlich sei es zum Beispiel in Oberderdingen, im Bereich der Straßenkreuzung der Flehinger, Brettener und Sternenfelser Straße und ganz besonders am Ortsausgang Richtung Sternenfels, wo Autofahrer regelmäßig mit zu großer Geschwindigkeit „rausfahren“ würden.
Als „größtes Übel“ für Radfahrer nimmt Gehringer LkwFahrer wahr. „Da hat mich aber auch ein tödlicher Unfall in unserem Radsportverein sehr stark geprägt.“ Trotzdem hat der Radfahrer viel Verständnis für die Berufskraftfahrer: „Die stehen auch unter Zeitdruck.“ Man dürfe sich nicht gegenseitig verteufeln. „Es ist eben immer ein Geben und ein Nehmen. Deshalb versuche ich Lkw-Fahrer nach Möglichkeit immer vorbeizulassen.“ Seiner Erfahrung nach, würden sich auch die meisten Autofahrer „ausgesprochen rücksichtsvoll verhalten“. „Ich stelle mich schon von vornherein auf gefährliche Situationen ein und fahre defensiv. Ich kann von Autofahrern nicht verlangen, rücksichtsvoll zu fahren, wenn ich das selber nicht mache“, so Gehringer.

Beschilderung kann Leben retten

Mit der Novelle der Straßenverkehrsordnung kommen auch neue Verkehrszeichen, die zum Beispiel auf ein Überholverbot an zu engen Stellen hinweisen. Gudrun Zühlke, Vorsitzende des ADFC Baden-Württemberg, fordert von Kommunen, dass die neuen Überholverbote zügig beschildert werden. Es gebe heute schon viele Stellen, an denen es nicht möglich sei, dass ein Auto einen Radfahrenden mit dem nötigen Mindestabstand überhole, etwa in der Landeshauptstadt: „In Stuttgart sind das zum Beispiel die Strecken, bei denen die Stadtbahntrasse zwischen den Fahrbahnen liegt. Es ist aber für Autofahrende nicht einsichtig, dass dort kein gefahrloses Überholen möglich ist. Sie drängen sich dann mit teils nur 20 bis 30 Zentimeter Abstand vorbei“, so Zühlke. Die Beschilderung könne Leben retten und senke „auf alle Fälle das Stresslevel der Radfahrenden.“ Der ADFC als Verband fordere, um die Sicherheit der Radfahrer zu erhöhen, eine durchgehende Fahrradinfrastruktur. „Und die muss so sicher sein, dass dort ein Kind, das sein Rad und die Regeln beherrscht, auch alleine entlang fahren kann“, betont die ADFC-Landesvorsitzende.

Mittlerweile kündigte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer – nach Protesten, unter anderem vom ADAC – an, dass der neue Bußgeldkatalog noch einmal überarbeitet werden soll.

In der Mitte der Kraichtalstraße in Flehingen gibt es eine langgezogene Kurve, in der es besonders für Radfahrer gefährlich werden kann, wenn sie von Autofahrern überholt werden. | Foto: hk
Konrad Gehringer | Foto: Privat
Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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