Lennhof über die Probleme des Kraichgau-Tourismus
"Bei jedem Cent reagieren die Gäste sensibel"

Christina Lennhof, Geschäftsführerin des Kraichgau-Stromberg Tourismus.  | Foto: Christian Ernst
  • Christina Lennhof, Geschäftsführerin des Kraichgau-Stromberg Tourismus.
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Region (kuna) Malerische Ortschaften inmitten sanfter Hügel, historische Stätten und eine ländliche Atmosphäre – der Kraichgau hat für Urlauber einiges zu bieten. Doch die Tourismusbranche sieht sich nicht zuletzt seit der Corona-Pandemie mit Herausforderungen konfrontiert. Laut Dehoga Baden-Württemberg steht das Gastgewerbe weiterhin vor einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Scharf kritisiert wird auch die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie von sieben auf 19 Prozent. Wie steht es also um den Tourismus im Kraichgau? Darüber spricht die Geschäftsführerin des in Bretten ansässigen Kraichgau-Stromberg Tourismus, Christina Lennhof, im Interview mit der Brettener Woche/kraichgau.news.

Frau Lennhof, wie viele Hotels und Ferienwohnungen gibt es im Gebiet des Kraichgau-Stromberg Tourismus eigentlich?
Momentan werden 135 Beherbergungsbetriebe mit 6.464 Schlafplätzen statistisch erfasst. Allerdings fehlen Daten von neun Mitgliedskommunen, da sie entweder keine Einrichtungen mit mindestens zehn Betten besitzen oder die Daten aufgrund statistischer Geheimhaltung nicht veröffentlicht werden, wenn nur ein bis zwei Betriebe vor Ort existieren. Das bedeutet, dass zahlreiche Anbieter von Ferienwohnungen oder Stellplätzen mit weniger als zehn Betten oder Stellplätzen vom Statistischen Landesamt nicht berücksichtigt werden. Daher sind vermutlich weitaus mehr Übernachtungsoptionen verfügbar und in Gebrauch als die offiziell erfassten Daten anzeigen.

Was ist die beliebteste Übernachtungsform im Kraichgau?
Statistisch gesehen sind es Hotels und Gasthöfe mit 123.726 sowie Campingplätze mit 27.505 Übernachtungen im ersten Halbjahr 2023. Leider fließen die vielen kleinen Stellplatzanbieter wie Weingüter oder Bauernhöfe in diese Zahlen aus den genannten Gründen nicht mit ein. Das Segment der Vorsorge- und Rehabilitationskliniken sowie Schulungsheime verbucht zwar höhere Übernachtungszahlen, jedoch sind diese nicht freizeittouristisch motiviert.

Gibt es in diesem Jahr besondere Urlaubstrends?
Nach wie vor ist das Thema Van Life hoch im Kurs. Stellplätze sind gefragt wie nie. Bruchsal ist bereits im letzten Jahr den Weg gegangen und hat einen Wohnmobilpark geschaffen. Auf dem Gelände werden 52 Stellplätze bereitgestellt, die den modernsten Kriterien entsprechen. Aber auch Ferienwohnungen werden stark nachgefragt. Leider gibt es davon noch zu wenige in unserer Region, insbesondere solche mit anspruchsvoller Architektur, individuell gestaltet. Stimmige Orte, die ein klares, authentisches Konzept haben.

Gibt es im Kraichgau mehr Urlauber oder Geschäftsreisende?
Leider gibt die Statistik hierauf keine Antwort. Sicherlich sind wir eine Region, in der es aufgrund der vielen Unternehmen auch viel Geschäftstourismus gibt. Eine Zahl kann ich aber leider nicht nennen.

Wie viele Tage bleiben die Betten im Durchschnitt belegt?

Im Durchschnitt bleiben die Gäste 2,5 Tage. Damit liegen wir im Landesdurchschnitt.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie aus Ihrer Sicht auf den Tourismus und das Gastgewerbe gehabt?
Reisebeschränkungen, Lockdowns und Gesundheitsbedenken während der Pandemie hatten erhebliche Auswirkungen auf den Tourismus und das Gastgewerbe weltweit, und der Kraichgau-Stromberg war da keine Ausnahme. Viele Hotels, Pensionen und andere Unterkünfte verzeichneten einen deutlichen Rückgang an Buchungen, einige mussten vorübergehend schließen. Viele Betreiber nutzten die Zeit aber auch, um notwendige Renovierungsmaßnahmen anzugehen oder ganz neue Konzepte für ihr Haus zu erarbeiten. Auf der einen Seite wurden traditionelle Veranstaltungen, Festivals und Märkte, die Touristen anziehen, abgesagt oder verschoben. Darunter litten extrem gastronomische Betriebe, die diese Events catern. Restaurants und Cafés mussten sich an neue Hygienevorschriften halten, die Kapazitätsgrenzen reduzieren oder temporär schließen. Viele Betriebe im Gastgewerbe mussten ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder entlassen. Auf der anderen Seite entdeckten viele Menschen aufgrund der Reisebeschränkungen die Schönheit ihrer Heimat neu. Mit den im Jahr zuvor errichteten Wanderwegen konnte der Kraichgau-Stromberg Tourismus somit bei den Einheimischen unglaublich punkten. Das war für die Region sicherlich eine große Chance, lokale Touristen anzuziehen. Viele Unternehmen im Tourismus- und Gastgewerbesektor haben außerdem digitale Technologien eingeführt oder erweitert, zum Beispiel Online-Buchungssysteme, virtuelle Touren und kontaktlose Zahlungsoptionen. Das war ein positiver Nebeneffekt, der in vielen Branchen eingetreten ist.

Konnten die negativen Auswirkungen der Pandemie mittlerweile überwunden und die Vor-Corona-Werte wieder erreicht werden?
379.879 Übernachtungen konnten bislang 2023 verzeichnet werden. Zu 2019 (441.514) ist das immer noch ein Minus von etwa 14 Prozent. Bei den Ankünften liegt die Region in diesem Jahr bei 131.783. Auch hier ist noch ein Minus von etwa 14 Prozent zum Vor-Corona-Jahr 2019 (152.841) zu verzeichnen. Im Gegensatz zu 2022 ergab sich allerdings eine Steigerung von 19 Prozent bei den Übernachtungen sowie 18 Prozent bei den Ankünften.

Hat sich die Art, wie Gäste ihren Urlaub im Kraichgau gestalten, durch die Pandemie verändert?
Mehr Wohnmobilisten, mehr Radfahrer. So könnte man es in Kurzform sagen. Das Land hat in seine Landesfernradwege investiert. Davon profitiert natürlich auch die Region Kraichgau-Stromberg. Der Badische Weinradweg ist mit drei Sternen ausgezeichnet, der Neckartal- und Stromberg-Murrtalradweg mit vier Sternen, um nur einige wenige zu nennen. Das zieht vor allem Gäste an, die viele Tage mit dem Rad – und Gepäck – unterwegs sind.

Was halten Sie von der geplanten Mehrwertsteuererhöhung auf Speisen in der Gastronomie?
Die Gastronomen wurden nicht nur hart von der Covid-19-Pandemie getroffen, sondern zusätzlich auch von Energiekrise, Inflation und Personalmangel. Diese vier Faktoren beeinflussen die Preisgestaltung enorm. Wenn jetzt die Mehrwertsteuerschraube wieder auf 19 Prozent gedreht wird und die Preise in den Betrieben steigen müssen, ist das für die Gäste, die auch aufgrund der Inflation weniger im Portemonnaie haben und damit weniger ausgehen als vor der Pandemie, nicht vermittelbar. Bei jedem Cent, der in der Gastronomie erhöht wird, reagieren die Gäste sensibel. Sollte die Mehrwertsteuer wieder auf 19 Prozent steigen, ist ein Rückgang der Gästezahlen und damit Betriebsschließungen nicht auszuschließen.

Die Fragen stellte Redaktionsvolontärin Kathrin Kuna.

Autor:

Kathrin Kuna aus Bretten

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