Gespräch mit KIZE-Geschäftsführer Prof. Rainer Blank über Strategien gegen den Fachärztemangel
Kinderzentrum setzt auf Ärztinnen mit Mutterschaftserfahrung
MAULBRONN (ch) Auch an einer renommierten Fachklinik wie dem Kinderzentrum (KIZE) in Maulbronn macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar: Vor allem Ärzte sind gesucht. Wir haben beim Ärztlichen Leiter und Geschäftsführer des KIZE, Prof. Dr. med. Rainer Blank, nachgefragt.
Herr Professor Blank, wie und seit wann macht sich der Ärztemangel am Maulbronner Kinderzentrum bemerkbar?
Professor Blank: Als ländlich gelegene Klinik war es für uns immer schon nicht einfach, gut qualifizierte Ärzte zu bekommen. Durch unser Renommé, die breit angelegte Weiterbildung, das heißt die Möglichkeit, einen Weg sowohl als Kinderärztin wie auch als Kinder- und Jugendpsychiaterin einzuschlagen, sowie durch hohe Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeit – gerade im Umgang mit Ärztinnen und Müttern – konnten wir aber bisher alle Stellen besetzen. Die Schwierigkeit besteht vor allem darin, FachärztInnen zu bekommen. Das bedeutet, dass wir mehr Zeit für die Einarbeitung und Supervision von Assistenzärztinnen investieren müssen.
Zur Behebung des Fachärztemangels setzen Sie vor allem auf Ärztinnen. Warum?
Ärztinnen, die gleichzeitig auch Mütter sind, bringen für die Arbeit gerade am Kinderzentrum schon viel sozialmedizinisches Erfahrungswissen sowie „Managementerfahrung“ aus der Familie mit. Das bedeutet, sie sind in unserem speziellen Fachgebiet rasch eingearbeitet und im Umgang mit den Müttern, die wegen komplexen Problemen ihre Kinder bei uns vorstellen, oft recht schnell kompetent.
Unter anderen Arbeitgebern gilt der Umstand, dass Frauen irgendwann Mütter werden können und dann eine Zeit lang ausfallen, eher als Beschäftigungshindernis. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
In der Tat bedeutet heute Schwangerschaft im ärztlichen Bereich, vor allem in der Kinderheilkunde, dass die Mütter oft vom ersten Tag an schon ausfallen, das heißt wegen Infektionsgefahr oder möglicherweise körperlichen Attacken von Kleinkindern sofort durch Betriebsärzte „freigestellt“ werden. Danach können die dann zu besetzenden Stellen während der Elternzeit wegen Befristung kaum besetzt werden, und nach der Elternzeit ist eine Teilzeitbeschäftigung zum Beispiel in Kliniken mit sehr intensiven Nachtdiensten schwer umsetzbar.
Dabei ist uns klar, dass die Vereinbarkeit von Ärztin und Mutter im üblichen Krankenhausbetrieb eine außerordentliche Herausforderung darstellt und in vielen anderen Fachbereichen nicht so gut möglich sein kann wie bei uns speziell am Kinderzentrum.
Wie gehen denn Sie am KIZE mit Mutterschaftspausen bei Mitarbeiterinnen um?
Wir hoffen, dass die Mütter durch ein gutes Arbeitsklima, durch organisatorische Erleichterungen, zum Beispiel flexible Teilzeit, aber auch durch die – speziell für Mütter - interessanten Arbeitsinhalte in unserem Fach Sozialpädiatrie die Motivation für einen raschen Wiedereinstieg behalten. Es bedeutet auch Dankbarkeit und Befriedigung in der Arbeit, wenn man als Mutter mit gesund entwickelten Kindern anderen Müttern, deren Kinder unter Entwicklungsstörungen leiden, helfen kann.
Welche Erleichterungen bieten Sie den im KIZE beschäftigten Müttern an?
Wir gehen so weit wie möglich auf Wünsche bezüglich Arbeitszeiten und Rufbereitschaften ein. Ferner ermöglicht das multiprofessionelle, stark vernetzte Arbeiten auf den Stationen, dass sich praktisch immer jemand findet, der ausgleichen kann, wenn die Ärztin selbst einmal früher gehen muss, um ihr Kind zu versorgen. Unser Fachgebiet erlaubt einen vielfältigen Einblick in die Versorgung von Kindern und Jugendlichen aller Altersgruppen und verschiedenen Settings. Wer Teamplayer und Organisationstalent, wer Freude an einer ganzheitlichen Betrachtung eines kranken Kindes und seiner Familie zusammen mit vielen Berufsgruppen hat, bringt schon viele gute, sehr wertgeschätzte Voraussetzungen für die Arbeit am KIZE mit. Und das ist für berufstätige Mütter – gerade im ärztlichen Bereich – attraktiv und erleichtert die tägliche Arbeit.
Und welche Angebote machen Sie Müttern, die nach der Kinderpause wieder in ihren Beruf zurückkehren möchten?
Gerade an unserer eher kleinen Klinik versuchen wir, soweit dies im Alltag möglich ist, den rückkehrwilligen Kolleginnen möglichst individuell zugeschnittene Angebote zu machen. Das hängt auch von der individuellen Qualifikation und den Anfordernissen in den jeweiligen Arbeitsbereichen ab. Aber aus gesagten Gründen sind die Mütter meist sehr motiviert, hier wieder zu arbeiten.
Können Sie kurz ein Beispiel für einen gelungenen Wiedereinstieg einer Ärztin am KIZE nach der Mutterschaftspause beschreiben?
Wir haben Ärztinnen, die in verschiedenen Lebensphasen erfolgreich wiedereingestiegen sind. So hatten wir zum Beispiel einer Ärztin mit vier Kindern eine eintägige Hospitation in der Klinik zunächst angeboten. Danach wünschte die Ärztin, 60 Prozent in Teilzeit zu arbeiten. Wir haben dann ein passendes Arbeitsmodell mit ihr entwickelt. Auf der Station fand gerade im ersten Jahr eine enge fachliche Supervision durch die zuständige Oberärztin statt. Da jedes Kind auf der Station auch eine betreuende Psychologin und mehrere Therapeuten hat, konnte die Kollegin auch von deren Fachexpertise profitieren. Die Einbindung in das Pflegeteam hat auch sehr gut funktioniert. Mittlerweile kann die Kollegin selbständig arbeiten und erhält sehr gute Rückmeldungen von den Familien. Insgesamt möchten wir Ärztinnen mit eigener Familie zum Wiedereinstieg sehr ermutigen.
Die Fragen stellte Chris Heinemann
Info
Gegenwärtig sind elf von insgesamt 18 Ärzten am Kinderzentrum Maulbronn zugleich Ärztinnen und Mütter. „Und es dürfen auch noch mehr sein“, heißt es beim KIZE.
Autor:Chris Heinemann aus Bretten |
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