"Die kleinste Zelle in der Gesellschaft"
Familienherberge Lebensweg bietet Familien ein Refugium

Sabine Beller (links) und Sohn Silas mit Isabel Berger, Referentin für Fundraising und Spendenmanagement bei der Familienherberge Lebensweg. | Foto: hk
  • Sabine Beller (links) und Sohn Silas mit Isabel Berger, Referentin für Fundraising und Spendenmanagement bei der Familienherberge Lebensweg.
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Knittlingen/Illingen Silas ist ein fröhlicher Junge von 14 Jahren. Er genießt es, seine Zeit im Zoo, im Freizeitpark oder beim Reiten zu verbringen. Aber er trägt auch eine Last, die schwerer ist, als seine jungen Schultern tragen sollten – er ist schwer krank. Silas leidet an der seltenen Stoffwechselerkrankung Morbus Hunter, die seine Lebenserwartung verkürzt. Dennoch strahle sein Geist hell, wie seine Mutter Sabine Beller erzählt: "Er liebt es zum Beispiel, im Wald die Vögel zu beobachten", sagt sie mit einem Lachen in der Stimme.

Die kleine Familie aus dem Knittlinger Ortsteil Hohenklingen verbringt Anfang März wieder ein paar erholsame Tage in der Familienherberge Lebensweg. Seit 2018 bietet die Einrichtung Familien mit schwerstkranken, körperlich, geistig und mehrfach behinderten Kindern und Jugendlichen die dringend benötigte Auszeit. Neun Pflegeplätze hat die Kinderkrankenschwester Karin Eckstein im idyllischen Schützingen geschaffen – für dieses Engagement wurde Eckstein im vergangenen Jahr sogar mit einem goldenen "Bambi" in der Kategorie „Stille Helden“ geehrt.

Ein Drittel der Mittel durch Spenden - Förderverein und ehrenamtliche Hilfe unverzichtbar

"Vieles wäre bei uns ohne den Förderverein Lebensweg e.V. und die unermüdliche ehrenamtliche Hilfe nicht möglich", erklärt auch Isabel Berger, Referentin für Fundraising und Spendenmanagement bei der Familienherberge Lebensweg, im Gespräch mit der Brettener Woche. Circa ein Drittel der finanziellen Mittel der Familienherberge werde durch Spenden aufgebracht. Seit der Eröffnung vor sechs Jahren habe die Familienherberge über 1.000 Familien zu Gast gehabt.

Eine Besonderheit der Einrichtung ist, dass die ganze Familie willkommen ist, also auch Geschwisterkinder. "Davon lebt unser Konzept, denn die Eltern können sich natürlich nur entspannen, wenn sie ihre Kinder gut versorgt wissen", so Berger. Es gibt einen Herbergebereich, in dem Eltern und Geschwister untergebracht sind, und einen Pflegebereich, in dem die Gastkinder rund um die Uhr betreut werden. Die Eltern können jederzeit zu ihren Kindern. Das Team besteht aus rund 70 Mitarbeitenden in den Bereichen Pflege, Hauswirtschaft, Küche, Verwaltung und Betreuung, darunter auch Sozial- und Kreativpädagoginnen und -pädagogen. Letztere bieten beispielsweise kreative Angebote im hauseigenen Atelier an, in dem auch Eltern und Geschwisterkinder töpfern, malen und basteln können.

Mutter findet Ruhe in schwierigen Zeiten

Im achten Schwangerschaftsmonat erfuhr Beller von dieser Erbkrankheit, da eine Cousine bereits einen erkrankten Sohn hat. Da die Schwangerschaft gut verlief, hoffte man auf ein gesundes Kind. Leider wurde dann bei Silas in der sechsten Lebenswoche die progressiv verlaufende Krankheit Morbus Hunter diagnostiziert. Was früher möglich war, funktioniert heute nicht mehr – Silas, der beispielsweise einst sprechen konnte, hat diese Fähigkeit inzwischen verloren. Außerdem ist er zunehmend auf einen Rollstuhl angewiesen, da seine Motorik nachlässt und seine Muskulatur schwindet.

In der Familienherberge Lebensweg blühe ihr Sohn regelrecht auf, sagt die Mutter. „Es ist erstaunlich, welche Fortschritte er hier Tag für Tag macht und wie gut ihm das tut, weil er auch merkt, dass es seiner Mama guttut, hier zu sein“, erklärt die Alleinerziehende. "Hier komme ich zur Ruhe“, fügt sie dankbar hinzu. Denn Silas leidet auch an Epilepsie, und die damit verbundene nächtliche Aufsicht ist für die Mutter eine zusätzliche Belastung. "Da hat man keine ruhigen Nächte“, sagt Beller. In der Familienherberge Lebensweg kann sie nachts gut schlafen, während ihr Sohn liebevoll umsorgt wird. Bei einem Betreuungsschlüssel von eins zu eins oder zwei zu eins sei das möglich, ergänzt Berger. Qualifiziertes Personal werde daher händeringend gesucht.

Besondere Bedürfnisse, besondere Entlastung

In einer Mutter-Kind-Reha hätte sie diese "in Deutschland einzigartige" Entlastung nicht, so Beller weiter. „Deshalb sind wir schon zum dritten Mal hier.“ Sie lobt auch die Fürsorge für die Eltern. Auch der Austausch mit den anderen Familien tue ihr gut, es helfe zu wissen, dass man nicht allein sei. Die Mutter vermeide, wenn sie über sich und ihren Sohn spricht, bewusst das Wort "Probleme". Sie spreche lieber von "besonderen Bedürfnissen": „Die Bedürfnisse, die wir Eltern mit besonderen Kindern haben, unterscheiden sich stark von Familien mit gesunden Kindern." Für viele Nicht-Betroffene übersteige das die Vorstellungskraft. Man höre oft "Oh, das ist ja schrecklich" und "Das ist ja schlimm", aber das wolle man eigentlich gar nicht hören. "Man weiß es ja selbst", fügt sie trocken hinzu. Umso mehr genieße sie die positive und herzliche Atmosphäre in der Familienherberge.

"Unsere Einrichtung ist so speziell, dass wir in keine Schublade passen", erklärt Berger. "Wir sind zum Beispiel kein Kinderhospiz." Ein Gedanke sei deshalb auch, sich von den Kassen als geförderte Familienerholung anerkennen zu lassen. "Familien sind die kleinste Zelle in der Gesellschaft, und wenn die nicht unterstützt werden, wie soll dann das große Ganze funktionieren?", fragt Berger. Es gehe auch darum, den Eltern Raum zum Atmen zu geben. "Wem nützt es, wenn die Eltern durch die Betreuung ihrer Kinder ausgebrannt sind", sagt Berger nachdenklich.

Familienherberge Lebensweg feiert Fest der Begegnung

Während ihrer Zeit in der Familienherberge Lebensweg kann Sabine Beller ihren Sohn bei Bedarf ganz in die Obhut liebevoller Betreuer geben, während sie sich Zeit für sich nimmt, zum Beispiel im hauseigenen Atelier. Oder sie entspannt sich bei einer Massage, macht Yoga oder genießt die heilenden Klänge von Klangschalen. Sie schätze auch die Möglichkeit, außerhalb der Familienherberge etwas zu unternehmen. So hat sie zum Beispiel die Gelegenheit genutzt, die Tutanchamun-Ausstellung in Stuttgart zu besuchen. "Eine wunderschöne Ausstellung, in der ich mich lange aufgehalten habe, ohne auf die Uhr schauen zu müssen", erzählt sie begeistert. Silas wiederum kann in der Familienherberge spielen, entdecken und seiner kindlichen Neugier nachgehen – ganz besonders beim therapeutischen Reiten, das in Zusammenarbeit mit dem ortsansässigen Pferdehof angeboten wird. Beller schwärmt davon, wie ihr Sohn eine tiefe Bindung zu den majestätischen Tieren aufbaut, wenn er ihnen liebevoll über den Kopf streichelt.

Am 28. April findet in der Familienherberge Lebensweg das Fest der Begegnung statt, bei dem auch das sechsjährige Bestehen der Einrichtung gefeiert wird. Dazu sind alle herzlich eingeladen, betont Berger. Darüber hinaus gibt es immer wieder inklusive Angebote, bei denen sich das Haus nach außen öffnet, zum Beispiel bei der wöchentlichen "Kunterbunten Runde", ein Eltern-Kind-Treff mit Familien aus Schützingen und Umgebung und den Gastfamilien.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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