Kandidatenvorstellung zur Bürgermeisterwahl in Sulzfeld: Sachkenntnis triumphiert über rechte Parolen

Deutliche Unterschiede: Die drei Bewerber zur Bürgermeisterwahl am Sonntag, (von links) Amtsinhaberin Sarina Pfründer mit ihren Herausforderern Sascha Krolzig und Jenny Krauth, vor Veranstaltungsbeginn. Foto: ch
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  • Deutliche Unterschiede: Die drei Bewerber zur Bürgermeisterwahl am Sonntag, (von links) Amtsinhaberin Sarina Pfründer mit ihren Herausforderern Sascha Krolzig und Jenny Krauth, vor Veranstaltungsbeginn. Foto: ch
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Äußerst kontrovers, aber friedlich und in geordneten Bahnen – so verlief die Kandidatenvorstellung vor der Bürgermeisterwahl in Sulzfeld am kommenden Sonntag. Die Ravensburghalle war gestern Abend proppenvoll, nicht zuletzt wohl wegen des mit Spannung erwarteten Auftritts des einzigen männlichen Bewerbers, eines polizeibekannten Rechtsextremisten.

SULZFELD (ch) Äußerst kontrovers, aber friedlich und in geordneten Bahnen – so verlief die Kandidatenvorstellung vor der Bürgermeisterwahl in Sulzfeld am kommenden Sonntag. Der mit Spannung erwartete Auftritt eines erklärtermaßen rechtsextremen Bewerbers aus Nordrhein-Westfalen war wohl mit ein Grund dafür, dass die Ravensburghalle gestern Abend besonders gut gefüllt war. Ulrich Fischer, der Vorsitzende des Gemeindewahlausschusses, zeigte sich in seiner Begrüßung jedenfalls „begeistert“, dass so viele Menschen „Interesse an der Gemeindepolitik“ bekundeten.

Absage einer Kandidatin

Dies sei auch „eine der Stärken“ Sulzfelds, griff sogleich Sarina Pfründer die Feststellung Fischers auf. Die Amtsinhaberin durfte sich - gemäß der Reihenfolge der eingereichten Bewerbungsunterlagen - als Erste der drei anwesenden Kandidaten präsentieren. Die Vierte im Bunde, Dauerkandidatin Friedhild Miller, hatte abgesagt. Dennoch bot die Veranstaltung den rund 3600 Wahlberechtigten eine Vielzahl an Entscheidungshilfen. Bei der Bürgermeisterwahl vor acht Jahren habe sie noch gefragt, ob Sulzfeld bereit sei, eine Frau zu wählen, begann die verheiratete Mutter von zwei Kindern mit einem kurzen Rückblick und stellte fest: „Heute bewerben sich drei Frauen, ja, so ändern sich die Zeiten.“

Fünf Gründe für´s Weitermachen

Nüchtern, kenntnisreich, in gedämpftem Tonfall und zugleich gut verständlich zählte die Verwaltungsfachfrau fünf Gründe auf, weshalb sie sich um eine zweite Amtszeit bewirbt. Dabei vergaß sie auch nicht, jeden Punkt mit anschaulichen Beispielen ihrer Leistungen zu unterlegen. Sulzfeld sei nicht nur eine „außergewöhnliche Gemeinde mit hoher Lebensqualität“, die „sehr viel zu bieten“ habe, sondern die auch „innovativ vorne dabei“ sei, in der sich die Bürger „über das normale Maß hinaus für die Gemeinde einsetzen“ sowie „mitdenken und mitreden“. Der Lohn dafür: 2013 wurde Sulzfeld als „Leuchtturm der Bürgerbeteiligung“ ausgezeichnet. Außerdem: Die Gemeinde stecke mitten in Projekten, die sie, Sarina Pfründer, gerne gemeinsam mit den Bürgern fortführen wolle. Etwa die Schaffung bezahlbaren Wohnraums, vor allem für junge Familien, den Ausbau der Breitbandversorgung, die schon beschlossene Gewerbegebietserweiterung und die Seniorenbetreuung nach dem Motto „ambulant vor stationär“.

Werbung mit Prophetenwort

Dabei hielt sich die 38-Jährige zugute, dass „trotz vieler Maßnahmen die Haushaltslage geordnet“ sei, was nur gehe, „wenn man weiß, wie und wo es passende Zuschussprogramme gibt.“ Zwei ihrer Erfolge auf diesem Gebiet 2018: Zuschüsse zur Innenentwicklung und 1,9 Millionen Euro für die Schulsanierung. „Im Gemeinderat darf Parteipolitik keine Rolle spielen“, forderte Pfründer. Dort gehe es allein um die beste Lösung für die Bürger – „sachlich, unaufgeregt, so, dass es jedem Spaß macht“. Sie selbst stehe für ein „einladendes, bürgerfreundliches Rathaus mit transparenter Informationspolitik“ gemäß dem beim Propheten Jeremia entlehnten Motto „Suchet der Stadt Bestes“. Starker Applaus war die Reaktion.

Lautstarke Parolen und Buhrufe

Stark, wenngleich in anderem Sinne, war auch der Kontrast zum zweiten Kandidaten. Sascha Krolzig, nach eigener Darstellung seit 2012 Mitglied der Mini-Partei „Die Rechte“ und seit April deren Bundesvorsitzender, drehte erst mal das Mikrofon auf. Dröhnend verkündete der 30-jährige Dortmunder, er kandidiere „für alle Unzufriedenen, Politikverdrossenen, Patrioten, Heimatliebenden und Mutbürger“. Sich selbst stilisierte der wegen rechtsextremer Delikte mehrfach vorbestrafte Diplomjurist als „politisch Verfolgten“, der wegen Berufsverbots als „kleiner, aber erfolgreicher Unternehmer und freier Redner“ tätig sei. Er gab die Parole aus „Das eigene Volk zuerst“, unterstellte seinen Mitbewerberinnen pauschal Parteinahme für „illegale Einwanderung“ und empfahl sich selbst als Gewährsmann von „Sicherheit und Ordnung“. Seine erste Amtshandlung werde eine Bürgerbefragung zur Aufnahme von Asylbewerbern sein. Daneben werde er sich auch für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs mittels „Bürgerbus“, mehr Bürgerbeteiligung sowie „Öffentlichkeit und Transparenz“ einsetzen. Sein Schluss-Appell: „Schreiben wir Geschichte, damit unsere Heimat auch morgen noch unsere Heimat ist.“ Ein Programm, das der Saal nur mit schwachem Beifall, dafür aber einigen Buh-Rufen quittierte. Halblauter Kommentar einer Zuhörerin: „Da wird´s einem ein bissle übel.“

Honigschnaps als Wahlversprechen

Ganz im Gegensatz zum lautsprecherischen Auftritt ihres Vorredners hatte Bewerberin Nummer drei anfangs Probleme, sich trotz Mikrofons stimmlich Gehör zu verschaffen. Jenny Krauth, 1974 in Bückeburg geborene Friseurin, die sich jedoch unter Applaus als überzeugte „Sulzfelderin“ outete, versprach zunächst einmal jedem, der sie wähle, „ein Gläschen Bärenfang“, sprich Honigschnaps. Womit sie gleich die Lacher auf ihrer Seite hatte. Dann erzählte die Mutter zweier Töchter kurz von ihrem Engagement für Flüchtlinge, insbesondere kriegsgeschädigte Flüchtlingskinder, im Ort, verriet ihre Devise: „Gutes entsteht nicht nur hinter dem Schreibtisch – einfach machen“ und gestand in entwaffnender Offenheit, dass sie weder etwas von Kommunalangelegenheiten verstehe, noch einen gedruckten Hochglanz-Flyer vorweisen könne. „Jede Stimme für mich sollte dem Rathaus zu denken geben“, appellierte sie und - war zur allgemeinen Verblüffung auch schon am Ende ihrer Rede.

Kritische Zuhörerfragen

Die anschließend vom stellvertretenden Wahlausschussvorsitzenden Andreas Eigenmann eingeläutete Bürgerfragerunde begann mit einer Zuhörer-Aufforderung, Krolzig möge doch bitte die Internetadresse bekannt geben, unter der man seine diversen Vorstrafen nachlesen könne. Ein Ansinnen, das dieser prompt zurückwies und zugleich beklagte, dass er wegen „Volksverhetzung und Beleidigung“ eines jüdischen Gemeindevorsitzenden zu sechs Monaten Haft verurteilt worden sei. Wobei er verschwieg, dass er sich den noch ausstehenden Haftvollzug mit dem Verstoß gegen eine vorangegangene Bewährungsstrafe selbst eingehandelt hat. Auch andere Frager setzten sich kritisch mit dem äußerlich bieder, dafür umso wortradikaler auftretenden Kandidaten auseinander.

Keine Antwort von Herausforderern

Auf eine Frage nach der wirtschaftlichen Entwicklung der Gemeinde beispielsweise reagierte der Rechtsextreme eher im Stil einer Parole. Sinngemäß: Wenn erst die Asylbewerber weg seien, gebe es wieder genug Geld. Auffällig war: Sobald die Fragen konkreter wurden, mussten beide Herausforderer passen, während allein die Amtsinhaberin sachgerecht antworten konnte. So zum Beispiel zum Thema Sanierung des Rentamt-Areals in der Ortsmitte, auf das Sarina Pfründer umfassend einging und dafür wiederum einen saalfüllenden Applaus erntete. Es folgten noch ein paar weitere Parolen Krolzigs, dann war offenbar das Interesse der Zuhörer erschöpft. Für eine zweite Fragerunde fanden sich keine Interessenten mehr, sodass der Wahlausschussvorsitzende Ulrich Fischer nach anderthalb Stunden mit der eindringlichen Bitte um möglichst rege Wahlbeteiligung die Veranstaltung schloss.

Zustimmung zur Bewerbervielfalt

Anschließend wurden noch im Foyer Eindrücke ausgetauscht. Michael Hertle zum Beispiel deutete das überraschend frühe Veranstaltungsende damit, „dass viele sicher sind, dass Frau Pfründer wiedergewählt wird.“ Die 18-jährige Leonarda Pfaus zeigte sich „beeindruckt“ vom ruhigen Auftreten und der großen Sachkenntnis der Amtsinhaberin. Dirk Zanger wiederum fand es „sehr traurig“, dass zwei von drei Bewerbern „keine Auskunft geben konnten über ein im Ort so zentrales Areal wie das Rentamt, während der 72-jährige Carl Schuchmann vor allem bedauerte, „dass sich die Jugend so wenig zu Wort gemeldet hat.“ Als voll und ganz einverstanden mit der Amtsinhaberin bekannte sich die Vorsitzende des örtlichen Landfrauenvereins, Hanna Fundis: Sarina Pfründer habe „immer ein offenes Ohr“, „viel in die Wege geleitet“ und obendrein „ein gutes Händchen für alle Vereine“. Aber auch wo keine so deutliche Parteinahme zu hören war, wurde die Tatsache, dass mehrere Kandidaten antreten, ausdrücklich begrüßt. „Damit es eine richtige Wahl und keine bloße Abstimmung wird“, wie eine Besucherin betonte.

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Deutliche Unterschiede: Die drei Bewerber zur Bürgermeisterwahl am Sonntag, (von links) Amtsinhaberin Sarina Pfründer mit ihren Herausforderern Sascha Krolzig und Jenny Krauth, vor Veranstaltungsbeginn. Foto: ch
Großes Interesse: Die Ravensburghalle war anlässlich der Kandidatenvorstellung zur Bürgermeisterwahl außerordentlich gut besucht. Foto: ch
Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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