Verwaltungsgericht Karlsruhe hat entschieden
Rodung von Streuobstbäumen in Gölshausen vorerst gestoppt
Bretten (hk) Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat entschieden, dass die Rodung von Streuobstbäumen für die Erweiterung des Industriegebiets Gölshausen (wir berichteten hier und hier) nach einem gerichtlichen Eilantrag des NABU Baden-Württemberg nicht fortgesetzt werden darf. Das hat das Verwaltungsgericht am heutigen Freitag, 23. Dezember, bekannt gegeben. Hintergrund dieses juristischen Verfahrens ist ein Antrag der Stadt Bretten bei der unteren Naturschutzbehörde des Landratsamtes Karlsruhe für eine Ausnahmegenehmigung zur Rodung einer rund 11.374 Quadratmeter großen Streuobstwiese, die das Landratsamt auch erteilte. Gegen diese Genehmigung legte der NABU Widerspruch ein, dessen aufschiebende Wirkung dazu führte, dass die Stadt Bretten die Streuobstbäume während des schwebenden Widerspruchverfahrens nicht fällen durfte. Daraufhin beantragte die Stadt Bretten beim Landratsamt Karlsruhe die Anordnung der „sofortigen Vollziehung der Umwandlungsgenehmigung“, die das Landratsamt ebenso genehmigte.
"Widerspruch verlor aufschiebende Wirkung"
„In der Folge verlor der vom NABU erhobene Widerspruch seine aufschiebende Wirkung“, beschreibt das Verwaltungsgericht. Der Streuobstbaumbestand durfte also gerodet werden, obwohl über den Widerspruch noch nicht entschieden worden war. Den Bescheid des Landratsamtes Karlsruhe erhielt die Stadt Bretten am 21. November per E-Mail. Der NABU erhielt diese Entscheidung sieben Tage später, nämlich am 28. November, per Post. Da hatten die Rodungsarbeiten schon begonnen. „An diesem Tag hat der NABU um gerichtlichen Eilrechtsschutz mit dem Ziel nachgesucht, die aufschiebende Wirkung seines gegen die Umwandlungsgenehmigung erhobenen Widerspruchs wiederherzustellen. Diesem Antrag hat die 14. Kammer nunmehr stattgegeben“, so das Verwaltungsgericht.
Anspruch des NABU auf rechtliches Gehör verletzt
Das Verwaltungsgericht begründet seine Entscheidung mit zwei zentralen Argumenten: Das Landratsamt Karlsruhe habe die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Umwandlungsgenehmigung zwar ordnungsgemäß begründet, dabei aber den Anspruch des NABU auf rechtliches Gehör verletzt, was einen Verfahrensfehler darstelle. Zudem habe das Landratsamt Karlsruhe dem NABU die Möglichkeit erschwert, sich im Wege eines gerichtlichen Eilverfahrens gegen die Rodung zu wehren, indem es die Stadt Bretten noch am Tag seiner Entscheidung per E-Mail, den NABU hingegen nur per Post informierte. „Und dies, obwohl bereits konkrete Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Stadt Bretten unmittelbar nach Erhalt der Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der Rodung beginnen wollte und der NABU gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung um Eilrechtsschutz nachsuchen würde“, so das Verwaltungsgericht.
Abwägung der „widerstreitenden Interessen“ durchgeführt
Das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung auch darauf gestützt, dass sich die „Umwandlungsgenehmigung weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig darstelle“. Es wurde daher eine Abwägung der „widerstreitenden Interessen“ unter Berücksichtigung der jeweiligen Folgen durchgeführt, wobei die Belange des Landratsamts Karlsruhe und der Stadt Bretten in den Hintergrund getreten seien. Denn dem Gesetz des Landes Baden-Württemberg zum Schutz der Natur und zur Pflege der Landschaft zufolge, kann die Genehmigung zur Rodung einer Streuobstwiese untersagt werden, wenn der Erhalt des Streuobstbestandes im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt.
Abwanderung interessierter Firmen muss hintanstehen
Das öffentliche Interesse am Erhalt des betroffenen Streuobstbestandes könne zudem „voraussichtlich nicht bereits dadurch relativiert werden, dass eine Neupflanzung an anderer Stelle erfolge.“ Bei der Folgenabwägung zielte das Gericht neben dem „Bestehen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Umwandlungsgenehmigung" allem voran auf den Umstand ab, dass eine einmal erfolgte Rodung nicht mehr rückgängig gemacht werden könne und andernfalls eine weitgehende Versiegelung der Streuobstwiesen zu befürchten sei. Diesem Belang habe die hiermit verbundene Verzögerung der Baureifmachung der Grundstücke um mindestens ein Jahr und eine mögliche Abwanderung derzeit interessierter Firmen hintanzustehen, betont das Verwaltungsgericht.
Landratsamt akzeptiert Beschluss des Verwaltungsgerichts
Gegenüber der Brettener Woche/kraichgau.news teilt Oberbürgermeister Martin Wolff mit, dass dem Urteil mehr als 60 Seiten Begründung beiliegen würden. „Diese hat nun unser Anwalt zur weiteren Prüfung“, so OB Wolff. Fakt sei jedoch, dass die Stadt Bretten nur Verfahrensbeteiligte sei. „Von daher werden jetzt erst einmal alle Optionen geprüft.“ Sollte es allerdings tatsächlich dazu kommen, dass die Erweiterung des Industriegebiets in Gölshausen nicht verwirklicht werden könne, so Wolff, dann gehe es auch ganz konkret um den möglichen Verlust von Arbeitsplätzen. Das Landratsamt in Karlsruhe gibt auf Nachfrage bekannt, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu akzeptieren. Man werde nun die „umfängliche Begründung des Beschlusses genau analysieren und die gemachten Vorgaben für vorliegende und künftige Fälle beachten.“
"Weihnachtsgeschenk für Natur und Menschen"
Zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Aussetzung der Rodung erklärt Johannes Enssle, Landesvorsitzender des NABU Baden-Württemberg: „Mit dieser Entscheidung macht das Verwaltungsgericht Karlsruhe der Natur und allen Menschen, denen heimische Streuobstwiesen am Herzen liegen, ein tolles Weihnachtsgeschenk. Die Rodung der Streuobstwiese in Bretten-Gölshausen ist vorerst gerichtlich gestoppt. Das ist aber nicht alles, denn das Gericht gibt in seiner Entscheidung richtungsweisende Hinweise für den weiteren Umgang mit den Erfordernissen zum Schutz von Streuobstwiesen in Baden-Württemberg.“
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen noch Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegen.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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