Zwischenbilanz des Hochwasser- und Starkregenschutzes in der Region: Beispiel Ölbronn-Dürrn
„Noch immer in der Planungsphase“

Einer von vielen Schäden nach dem Starkregen von Juni 2016: Teile der unterspülten Friedhofsmauer im Ortsteil Dürrn rutschten auf die Ölbronner Straße ab. | Foto: Gemeinde Ölbronn-Dürrn
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  • Einer von vielen Schäden nach dem Starkregen von Juni 2016: Teile der unterspülten Friedhofsmauer im Ortsteil Dürrn rutschten auf die Ölbronner Straße ab.
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Unter dem Eindruck teils erheblicher Schäden infolge der in den letzten Jahren aufgetretenen Dauerregen- und Starkregen-Ereignisse wurden und werden im Kraichgau Millionen in Schutzmaßnahmen investiert. Nicht nur in Bretten, auch in der Region. Wir haben uns in den am stärksten getroffenen Kommunen umgeschaut: heute in Ölbronn-Dürrn.

ÖLBRONN-DÜRRN (ch) Nach dem Blitz kam die Flut. Doch während der Blitzeinschlag in eine Scheune noch glimpflich verlief, trafen die damit verbundenen schweren Regenfälle die Bewohner der beiden Ortsteile umso härter. Vor allem vielen Ölbronnern hat sich der Schock des 8. Juni 2016 tief ins Gedächtnis eingegraben.

Schäden in Millionenhöhe

Von der Dürrner bis zur Talstraße ergossen sich die Wassermassen quer durch den Ort. Im Handumdrehen liefen Dutzende Keller und Garagen voll. Die Häuser in der Senke zwischen Ölbronn und dem benachbarten Kleinvillars, darunter der Landgasthof „Bahnhöfle“, standen laut Feuerwehr fast zwei Meter unter Wasser. Die Bahnstrecke Ölbronn-Bretten blieb wegen unterspülter Gleise mehr als zwei Wochen gesperrt. Wegen Unterspülung sind auch große Teile der Friedhofsmauer in Dürrn eingestürzt und auf die Ölbronner Straße gerutscht. In Dürrn gab es ebenfalls überflutete Keller und beschädigte Wege. Die auf 940.000 Euro geschätzten privaten Schäden hält Ölbronn-Dürrns Bürgermeister Norbert Holme für „sicherlich nicht vollständig“. Die Schäden an Gemeindeeigentum beziffert er auf rund eine halbe Million Euro.

Konzept mit 20 Schutzmaßnahmen

Mittels Soforthilfen des Landes Baden-Württemberg, beträchtlicher Spendensummen des DRK Pforzheim und des Vereins „Menschen in Not“ sowie vieler Spenden von Privatpersonen, Institutionen und Unternehmen, die von der Gemeinde Ölbronn-Dürrn aufgestockt wurden, konnten Privatpersonen und Unternehmen bei der anfänglichen Bewältigung der Schäden unterstützt werden. Gleich im September hatte der Gemeinderat laut Bürgermeister ein Fachbüro mit der Erarbeitung eines Hochwasserschutzkonzepts beauftragt. Noch im selben Herbst legte das Büro einen ersten Entwurf mit rund 20 Schutzmaßnahmen vor.

Mindestens 2,5 Millionen Euro Gesamtkosten

Um schneller voranzukommen, machte die Gemeinde Abstriche an Umfang und Leistungsfähigkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen. Der Gemeinderat grenzte die Vorschläge auf zehn bis zwölf der wichtigsten Maßnahmen ein. Darunter sind unter anderem der Neubau eines Regenrückhaltebeckens an der Kreisstraße 4525 zwischen Ölbronn und Dürrn, die Erhöhung des Fassungsvermögens des bestehenden Rückhaltebeckens Hoher Stein sowie umfangreiche Geländemodellierungen zur Schaffung von Überflutungsflächen. Alles in allem eine Gesamtinvestition von mindestens 2,5 Millionen Euro, so die grobe Schätzung des Bürgermeisters. Wobei der zuvor notwendige Grunderwerb noch gar nicht berücksichtigt ist.

Abstriche bei Leistungsfähigkeit

Außerdem entschied sich das Gremium in einem Abwägungsprozess, auf Vorschlag des Fachbüros und in Abstimmung mit den Fachbehörden, bei allen geplanten Maßnahmen nicht, wie andernorts teilweise üblich, ein 100-jährliches, sondern nur ein 30-jährliches Schadensereignis zugrunde zu legen. Denn: „Bei Zugrundelegung von 100-jährigen Ereignissen wären die Aufwendungen weder aus gemeindlicher, noch aus volkswirtschaftlicher Betrachtung leistbar und vertretbar“, erklärt der Rathauschef.

Noch kaum Maßnahmen umgesetzt

Inzwischen sind über drei Jahre vergangen, ohne dass sich viel getan hätte. Bis auf einige kleinere, punktuelle Maßnahmen in Ölbronn wie die Aufweitung von Einlaufschächten und die Ertüchtigung von Gräben konnte noch keines der größeren Projekte angefangen werden, bedauert der Bürgermeister: „Leider befinden wir uns eigentlich noch immer in der Planungsphase.“ Viele Bürger fragen sich, warum. Der Hauptgrund ist: Für die Umsetzung größerer Maßnahmen ist die Gemeinde auf öffentliche Zuschüsse angewiesen. Diese zu bekommen, ist jedoch anscheinend schwieriger als gedacht.

Hohe Hürden für Förderanträge

Bevor über die Erteilung von Baugenehmigungen und die Bewilligung von Förderanträge entschieden werden kann, müssen nach den Worten des Bürgermeisters nicht nur viele Fachstellen beim Landratsamt, Regierungspräsidium und bei Verbänden beteiligt werden, sondern auch eine Vielzahl von Gutachten eingeholt werden. So läuft zum Beispiel seit Jahresbeginn in den betroffenen Gebieten in Ölbronn eine umfangreiche Artenschutzuntersuchung. Das kostet nicht nur zusätzlich Geld – in diesem Fall rund 115.000 Euro -, sondern auch noch mehr Zeit. Vorläufiges Ergebnis laut Holme: An fast allen Maßnahmestandorten seien Zauneidechsen nachgewiesen worden, worauf mit Ausgleichsmaßnahmen reagiert werden müsse.

Notfalls auch ohne Förderung

Im Rahmen der Finanz- und Investitionsplanung der Gemeinde hat der Gemeinderat einen Umsetzungszeitraum von fünf bis zehn Jahren ins Auge gefasst. Zugleich behält man sich vor, die Prioritäten je nach aktuellem Bedarf anzupassen. Bereits im April 2018 beschloss der Gemeinderat, zwei als besonders dringlich eingestufte Arbeiten zur Not auf Gemeindekosten vorzuziehen. Während die Maßnahmen am Ortsausgang Ölbronn Richtung Dürrn für rund 40.000 Euro abgeschlossen sind, müssen die Arbeiten am Bahnhöfle wegen der Artenschutzuntersuchung und der Beteiligung der Deutschen Bahn noch warten. Die hierfür ursprünglich angenommenen Kosten von rund 250.000 Euro werden aus heutiger Sicht zudem nicht ausreichen, sondern sich wahrscheinlich sogar verdoppeln, so der Bürgermeister.

Weitere Artikel zum Thema finden Sie auf den Themenseiten Hochwasser und Starkregen

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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