Naturnahes Tiny House-Gebiet durch Gartenschau?
Wohnraum ist in Bretten Mangelware

In Neibsheim sind laut Bürgermeister Michael Nöltner noch wenige Bauplätze erhältlich. | Foto: bea
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Bretten (bea) In Bretten ist Wohnraum, ob zur Miete oder zum Kauf, knapp und heiß begehrt. Das bestätigt Bürgermeister Michael Nöltner auf Anfrage. Die städtische Wohnungsbau erhalte in jedem Jahr zwischen 250 und 300 Anfragen. Beim Wohneigentum belief sich die Anzahl der Bauanträge der vergangenen 15 Jahre auf 2.271, teilt die stellvertretende Bauamtsleiterin Cornelia Hausner mit. Derzeit seien fünf Baugebiete mit einer Fläche von etwa 29 Hektar in Planung. Fünf befänden sich in oder kurz vor der Umsetzungsphase. Diese ermöglichten der Stadt einen Einwohnerzuwachs von 2.650 Einwohnern. Im Entwurf des Flächennutzungsplans 2021 seien 39 Hektar "abgestimmte Siedlungserweiterungen" geplant. Anfragen für Bauplätze kämen nicht nur aus Bretten, sondern auch aus Pfinztal, Pforzheim oder Heilbronn, fügt Nöltner hinzu.

In fünf Jahren soll Bretten bis zu 1.000 Einwohner mehr vorweisen 

Auch seien in Neibsheim noch wenige Bauplätze verfügbar. Innerhalb der nächsten Jahre entstünden in Büchig Sprantal, Gölshausen und Ruit Plätze für Häuser und Wohnungen. Weiterer Wohnraum werde in privater Hand hinter der Post oder beim Edith-Stein Gymnasium gebaut. Für Neubaugebiete habe der Gemeinderat im November 2018 baulandpolitische Grundsätze beschlossen. Diese schreiben ein Mindestanteil an gefördertem Wohnungsbau von 20 Prozent vor. Grundsätzlich sei eine Planung auch davon abhängig, ob die Stadt an neue Flächen herankomme und wie teurer diese seien. Dementsprechend müsste künftig gegebenenfalls in den Geschosswohnungsbau umgeschwenkt werden, so Nöltner.

Bezahlbarer Umweltschutz im Fokus

Auch die Fraktionen im Brettener Gemeinderat haben unterschiedliche Vorstellungen, wie der Bedarf an neuem Wohnraum zukünftig gedeckt werden soll. Für integrierte Wohnquartiere für ältere Mitbürger spricht sich Martin Knecht (CDU) aus. Junge Familien sollten durch finanzielle Förderung Häuser in Ortskernen kaufen können. Doch derzeit seien Kauf- und Mietpreise in Bretten deutlich überhöht, daher müsse der Bestand an sozialem Wohnungsbau erhöht werden, so Knecht. Gleichzeitig müsse der Spagat zwischen Ansprüchen und resourcenschonendem Bauen berücksichtigt werden. "Umweltschutz ist wichtig, doch er muss auch bezahlbar sein." Natur- und Umweltschutzmaßnahmen müssten intensiv in Bebauungspläne integriert werden. Eine nachhaltige Architektur mit Photovoltaik (PV)-Anlage, Dachdämmung, begrüntem Dach oder Fernwärme sei denkbar. Ebenfalls müsse mehr getan werden, um Hausbesitzer zu überzeugen, wie wichtig PV-Anlagen für die Zukunft seien. Sogenannte Tiny Houses, zu deutsch, „winzige Häuser“ – das sind oft mobile Wohneinheiten mit minimalem Raumangebot – könnten auf Privatgrundstücken erlaubt werden, um diese Wohnform in Bretten zu ermöglichen.

„Mietwohnungen bedeuten Wohnen auf Zeit“

Einfamilienhäuser (EFH) sollten in Brettener Neubaugebieten weiterhin ausgewiesen werden, sagt Otto Mansdörfer (Grüne). Der Fokus sollte jedoch auf Mietwohnungsbau in Doppelhaushälften oder Reihenhäusern liegen. "Mietwohnungen bedeuten Wohnen auf Zeit." So könne sichergestellt werden, dass ein "Bevölkerungsumschlag" gegeben sei. Dies stelle sicher, dass nicht gleichzeitig viele Kinder in Kindergarten und Schule gingen und später ganze Viertel von älteren Menschen bewohnt würden. Im Baugebiet Eidelstein würden EFH wohl in der Minderzahl sein, denn diese seien nur eine Wohnform von vielen und man müsse ihnen die Rolle zuweisen, die ihnen gebühre. Doch bedeute Wohnungsbau nicht immer Verbrauch neuer Ackerflächen. Bei der Melanchthonhöhe könnten auf unter einem Hektar rund 600 Menschen wohnen, für die man sonst zehn Hektar mit EFH benötigte. „Der große Balkon ist dort der neue Garten.“ 

Bezahlbarer Wohnraum und Stockwerkseigentum

Bezahlbarer Mietwohnraum steht für Birgit Halgato (SPD) an erster Stelle. Innenstadt und Ortskerne müssten entwickelt und wiederbelebt werden. Bauland in Bretten sei seitens der öffentlichen Hand sehr knapp. In Ortsteilen müsse Mietwohnungsbau her, mit Mehrfamilien- oder Reihenhäusern. Sozialer Wohnraum werde oft für Geringverdiener benötigt. In den 50er Jahren sei Stockwerkseigentum populär gewesen, das komme nun wieder.

Umsetzen, was gewünscht ist 

Jeder sollte die Möglichkeit haben, das umzusetzen, was er sich wünsche und finanziell in der Lage sei, sich zu leisten, sagt Jörg Biermann (die aktiven). Gemischte Baugebiete sollten entsprechend Bauherrenanfragen ausgewiesen werden. Bei der schrumpfenden Gesellschaft bestehe nicht die Gefahr, dass die Landschaft zugebaut werde. Letztendlich regele der Preis die Möglichkeiten der Bauherren.

Zielgruppen Gehör schenken

Für einen gesunden Mix der Wohnangebote ist Jan Elskamp (FDP). Vermehrter Wohnraum in der Innenstadt könne eine höhere Frequenz für die Geschäfte bedeuten. Dennoch sollten grundsätzlich nach der bestehenden Nachfrage Angebote geschaffen werden, da es Unterschiede bei den Bedürfnissen der Bevölkerung gebe. Zielgruppen wie jungen Familien müsste Gehör geschenkt werden. Auch Tiny Houses könnten in Bretten ein "sehr interessantes Experiment" sein, das in Bretten ausprobiert werden könnte.   

Eine Art genossenschaftlicher Wohnungsbau 

Mehrgeschossigen Wohnungsbau und eine Verdichtung möchte Hermann Fülberth (Aufbruch Bretten) sehen. Drei- bis viergeschossige Bauten sollten errichtet werden, um weniger Fläche zu verbrauchen. Diese könnten im Baukastensystem gebaut und mit PV-Anlagen und Fernwärme versorgt werden. Wichtiger sei ihm jedoch, dass beim Bauen eine Art genossenschaftlicher Wohnungsbau angestrebt werde. Gute Beispiele für diese Art Wohnungsbau seien in Karlsruhe und Ettlingen zu finden. "Nur so haben wir die Möglichkeit, etwas für Menschen mit mittlerem Einkommen zu tun". Ein Investor versuche stets den maximalen Gewinn zu erwirtschaften, da nutze auch das Förderprogramm sozialer Wohnungsbau nicht mehr viel. Im Stadtzentrum müsse gleichzeitig an die schwierige Parksituation gedacht werden. 

Wohnraum für alle Einkommensschichten

Man müsse den Markt entscheiden lassen, was sich die Menschen in Zukunft noch leisten könnten, sagt Andreas Laitenberger (AfD). Durch Corona seien viele Menschen in Kurzarbeit und könnten Probleme bekommen, ihr Haus abzubezahlen. So könnte es zu einer gesteigerten Nachfrage auf dem Mietmarkt kommen. Deshalb müsse Wohnraum für alle Einkommensschichten gebaut werden. Innerhalb von Neubaugebieten könne man auch einen Teil für Tiny Houses ausweisen, die am Rand des Gebiets im Einklang mit der Natur einen Platz finden könnten. Wenn es die Beschaffenheit des Gebiets hergebe, könnten ebenfalls Mehrfamilienhäuser gebaut werden, doch grundsätzlich sollten Erweiterungen einer Ortschaft in ähnlichem Stil, wie er bereits vorhanden sei, weitergeführt werden.  

Gemischte Wohngebiete mit Grundversorgung 

Platzsparendes und umweltschonendes Bauen ist laut Ariane Maaß (fraktionslos) wünschenswert. Doch der Kostenfaktor bestimme die Nachfrage. Wohnformen wie Doppelhaushälften seien günstiger als Einfamilienhäuser. Letztere würden auch in Ortskernen von Zeit zu Zeit frei. Daher sei es wichtig, diese zu renovieren und wieder bewohnbar zu machen. Ideal seien gemischte Wohngebiete. Hinzu komme ein Quartiersdenken: Geschäfte für Grundversorgung mit kurzen Wegen müssten bedacht werden.

Tiny House Gelände durch Gartenschau?

Auch für Thomas Rebel (FWV) ist der Bau von Einfamilienhäusern wichtig. Allerdings könne er sich vorstellen, dass künftige Häuslebauer verpflichtet würden, eine Einliegerwohnung zu bauen, die sozialverträglich vermietet werden könne. In Bretten sei es schwierig eine Mietwohnung zu einem vernünftigen Preis zu finden. Daher sei es dringend notwendig, vorrangig Flächen für Mietwohnraum auszuweisen. In Verbindung mit der Planung für die Gartenschau könne sich Rebel sogar vorstellen, ein Gelände für Tiny Houses auszuweisen. Dieses sollte nach Möglichkeit naturnah gelegen sein und unter der Prämisse von Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit bebaut werden. Diese Wohnform könnte für junge Menschen geeignet sein, die pendelten.

Autor:

Beatrix Drescher aus Bretten

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